Vorstandswechsel in der Wolfgang-Sawallisch-Stiftung

Die Kammermusik in Grassau erklingt auch künftig

 

Vor über 20 Jahren hatte der ehemalige Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper und weltweit aktive Dirigent Wolfgang Sawallisch eine Stiftung gegründet, deren Ziel die Förderung der musikalischen Aus- und Weiterbildung in vielerlei Hinsicht ist, so sieht es die Stiftungssatzung vor. Seit dieser Zeit fördert die Grassauer Wolfgang-Sawallisch-Stiftung  begabte musikalische Nachwuchskräfte im Chiemgau.

In den letzten sechs Jahren, seit Paul G. Bischof als Vorstandsvorsitzender und Robert Höpfner als Vorstand die Stiftung leiten, kamen eine überregionale Musikakademie und eine Konzertreihe in der Villa Sawallisch hinzu. Es war eine Zeit des Auf- und Ausbaus: Die beiden Gebäude der Stiftung auf dem großzügigen Grassauer Grundstück wurden für die gewünschte Nutzung als musikalische Akademie umgebaut, ausgestattet und energetisch ertüchtigt. Proberäume, Übernachtungsmöglichkeiten sowie zwei Kammermusiksäle entstanden.

Die Gründung der „Wolfgang-Sawallisch Musikakademie“ als nationale und internationale Musikbegegnungsstätte hat in der Landgemeinde Grassau, in der Mitte der Strecke zwischen München und Salzburg gelegen, ein kulturelles Zentrum mit besonderer Anziehungskraft geschaffen: Die Akademie bietet musikalische Aus- und Weiterbildungen, Meisterkurse, Seminare und Tagungen an. Von hochrangigen Dozentinnen und Dozenten unterrichtet, gewinnen junge Musikerinnen und -musiker aller Sparten aus der ganzen Welt einen hohen Mehrwert an Qualifikation. In der ruhigen, idyllischen Umgebung können junge Musikerinnen und Musiker einzeln, im Quartett oder in kleineren Ensembles, sehr gut arbeiten – das Ambiente und die umsichtige Betreuung durch das Stiftungspersonal werden immer wieder gelobt. Dem größeren Publikum ist die Stiftung durch ihre vielen Konzerte in den letzten Jahren weithin bekannt geworden.

Die bisherigen Vorstände werden nach sechsjähriger ehrenamtlicher Tätigkeit nicht mehr für eine weitere Amtszeit kandidieren. Und bald nehmen Andreas Hérm Baumgartner (ab 1.3.2024) als Geschäftsführer sowie (ab 23.3.2024) als Vorstandsvorsitzender und Annette Zühlke als Stiftungsvorständin ihre Arbeit auf – also ist jetzt ein geeigneter Zeitpunkt zum Zurückdenken und zum Vorwärtsschauen.

 

Vorstandsvorsitzender Paul G. Bischof und Stiftungsvorstand Robert Höpfner treten nach sechs Jahren nicht mehr an

Was bewegt die beiden bisherigen Vorstände Paul G. Bischof und Robert Höpfner nach sechs Jahren ihrer ehrenamtlichen Stiftungsarbeit?

Herr Bischof, wie beurteilen Sie die zurückliegenden sechs Jahre Ihrer Tätigkeit?

Die Jahre waren geprägt vom Neustart, vom Entwickeln eines Konzepts für die Sawallisch Stiftung und natürlich von der Umsetzung des Konzepts. Mittlerweile gibt es zwei erfolgreiche Konzertreihen, die ca. 50 Konzerte pro Jahr in der Villa Sawallisch werden vom Publikum gut angenommen. Zu den Meisterkursen der Wolfgang Sawallisch Musikakademie kommen junge Musiker und Musikerinnen aus aller Welt, um von hochkarätigen Dozenten unterrichtet zu werden.

Ich denke, wir kommen mit diesem Konzept den Wünschen des Stiftungsgründers sehr nahe, er würde sich vermutlich freuen, wenn  er sehen könnte, was aus seiner Stiftung geworden ist.

Was hat Ihnen an der Tätigkeit besonders gefallen?

Nach Beendigung meiner beruflichen Tätigkeit als Jurist durfte ich mich in einem völlig anderen Metier betätigen. Ganz besonders hat mir gefallen, dass ich die Möglichkeit hatte, kreativ etwas zu gestalten und aufzubauen. Große Freude hat es mir gemacht, mit Musikern zusammen arbeiten zu dürfen. Die vielen wunderbaren Konzerte im herrlichen Ambiente der Villa Sawallisch waren ein reicher Lohn für meine Arbeit.

Wie sehen Sie die Zukunft der Konzertreihe?

Die Veranstaltungsdichte im Chiemgau insbesondere in den Sommermonaten ist sehr hoch. Dies muss aber kein Nachteil sein. Wenn es auch weiterhin gelingt, anspruchsvolle, abwechslungsreiche und interessante Konzerte anzubieten, mache ich mir über die Zukunft der Konzertreihen keine Sorgen. Die traumhaft schöne Villa Sawallisch, das offene und treue Stammpublikum, die besondere Aura unserer Konzerte, in der man die Musikerinnen und Musiker hautnah erleben darf, sind Garant für eine gute Zukunft. Hinzu kommt, dass es uns gelungen ist, hochqualifizierte und erfahrene neue Vorstände zu finden, bei denen die Konzerte in allerbesten Händen sind.

Wie sehen Sie die Zukunft der Sawallisch-Musikakademie?

Die Wolfgang-Sawallisch-Musikakademie hat sich in den zurückliegenden Jahren zu einer anerkannten und in der Fachwelt hochgeschätzten Ausbildungsstätte entwickelt. Im Gegensatz zu anderen vergleichbaren Einrichtungen erhalten wir aber leider keinerlei staatliche Unterstützung. Selbst wenn alle Kurse auch weiterhin gut besucht sind, wovon ich ausgehe, wird es schwer sein, Überschüsse zu erzielen. Diese aber sind erforderlich, um den Stiftungszweck, nämlich die finanzielle Förderung junger begabter Musiker und Musikerinnen, zu erfüllen. Dennoch bin ich optimistisch, dass durch die Kombination von Konzerteinnahmen, Kursgebühren und Spenden die Sawallisch-Musikakademie ebenso wie die Stiftung insgesamt auf einem guten und erfolgreichen Weg ist.

Herr Höpfner, wie beschreiben Sie Ihre Tätigkeit der letzten Jahre als Vorstand der Sawallisch-Stiftung?

„Meine Tätigkeit war von einer großen Vielseitigkeit geprägt: von Bau- und Sanierungsarbeiten, vom Unterhalt der Gebäude über Finanz- und Personalangelegenheiten bis zu Gartenpflege. Hinzu kam die Betreuung der Meisterkurse und Mithilfe bei der Durchführung der vielen Konzerte. Ich war der „Kümmerer vor Ort“. Zeitweise war es sehr beanspruchend und aufreibend, bringen doch solche Veränderungen oft Probleme mit sich. Doch was mich immer entschädigt hat, waren das Ambiente und die wunderbare Musik, die einen umfangen hat, und der Kontakt mit den Musikern und Kursteilnehmern, aber auch mit dem Personal, das im Büro leider oft wechselte. Auch der Umgang mit den Stiftungsräten war immer sehr angenehm.“

Was sind Ihre positiven Erinnerungen an diese Zeit?

„Jedes Konzert hinterließ eine schöne Erinnerung, gerade für mich, der ich in der klassischen Musik nicht so bewandert war. Ich habe als Quereinsteiger viel gelernt; manche Musikstücke haben mich zu Tränen gerührt. Solche Emotionen waren mir als ehemaligem Verwaltungsbeamten verständlicherweise nicht vergönnt.
Eine stetige Freude waren auch die Konzerte der vielen Vögel, die schon ab März bis in den Sommer hinein durch den Wald schallten. Auch die sich entwickelnde Vielfalt an Wildblumen war eine Augenweide, nachdem ich gleich zu Anfang dafür gesorgt hatte, dass alle Wiesenflächen außerhalb des Wegebereichs nur noch zweimal im Jahr gemäht werden.“

Die neuen Vorstände der Wolfgang-Sawallisch-Stiftung Andreas Hérm Baumgartner und Annette Zühlke

Bald nehmen Andreas Hérm Baumgartner (ab 1.3.2024) als Geschäftsführer sowie (ab 23.3.2024) als Vorstandsvorsitzender und Annette Zühlke als Vorständin ihre Arbeit auf – also ist jetzt ein geeigneter Zeitpunkt zum Zurückdenken und zum Vorwärtsschauen.

Annette Zühlke ist Direktorin des Musikalischen Bereichs der Bayerischen Staatsoper. Ihr unterstehen die Bereiche Orchester, Chor, Studienleitung und Bibliothek.

Frau Zühlke, was bewegt Sie dazu, die Vorstandstätigkeit bei der Sawallisch Stiftung zu übernehmen?

„Ich habe Professor Sawallisch in meinen ersten Jahren an der Bayerischen Staatsoper noch persönlich kennen und schätzen gelernt. Er war nicht nur ein begnadeter Dirigent, sondern auch ein bewundernswerter Mensch und Förderer junger Musikerinnen und Musiker sowie junger Dirigentinnen und Dirigenten. Diesen Geist durch seine Stiftung an die junge Generation weiterzugeben, bestärkt mich darin, diese Aufgabe zu übernehmen.“

In welcher Form können Sie sich in die Stiftungsarbeit einbringen?

„Durch meine jahrzehntelange Arbeit an der Bayerischen Staatsoper mit dem Bayerischen Staatsorchester und der Hermann Levi Akademie habe ich vielfache Einblicke in die Arbeit für und mit der jungen Musikergeneration gewinnen können. Ich hoffe, dadurch Einfluss auf die Ausbildung und Weiterentwicklung der Förderung junger Menschen nehmen zu können.“

Wie haben Sie die Sawallisch Stiftung in den letzten Jahren wahrgenommen?

„Bereits noch zu Lebzeiten von Prof. Wolfgang Sawallisch bin ich mit dem Bayerischen Staatsorchester unter Leitung von Kent Nagano in den Heftersaal nach Grassau gekommen und wir haben zugunsten der Stiftung Konzerte gegeben. Die weitere Entwicklung habe ich durch Workshops unserer Hermann-Levi-Akademie in der Villa Sawallisch und durch den Besuch vieler Konzerte erleben dürfen und freue mich sehr, dass das Konzept von Meisterklassen renommierter Musikerinnen und Musiker sowie Sängerinnen und Sänger und Konzerten so gut angenommen wurde. Dadurch konnte die Stiftung sehr an Außenwirkung gewinnen.“

Welche Ziele haben Sie für die Stiftung?

„Es ist mir ein Anliegen, zusammen mit dem Vorstand und mit dem Stiftungsrat die Ziele der Stiftung vor allem in der Förderung junger Musiker- und Sängergenerationen weiter zu entwickeln und die Aufführungstraditionen, die in der Ära von Wolfgang Sawallisch gepflegt wurden, wach zu halten und in die Zukunft zu führen. Ich freue mich sehr auf die Arbeit für die Stiftung und hoffe, den Namen Wolfgang Sawallisch und seiner Stiftung weiter in die Welt tragen zu können.“

Andreas Hérm Baumgartner ist seit zehn Jahren Direktor des Hartmann-Centers sowie Geschäftsführer und Künstlerischer Leiter der internationalen Karl Amadeus Hartmann-Gesellschaft, also bestens bewandert in der Musik auch des 20. Jahrhunderts. Seine Berufserfahrung als Dirigent und Organisator musikalischer Veranstaltungen im In- und Ausland und praktischer Formen der Kulturvermittlung wie Ausstellungen zeichnen ihn aus. Zu seinem Arbeitsfeld gehört auch das „ensemble hartmann21“, wodurch Baumgartner gut alle Fragen, die Konzerttätigkeit betreffen, kennengelernt hat. Die Hartmann-Gesellschaft ist weltweit vernetzt, so dass Baumgartner aus München viele Kontakte zu namhaften Künstlerinnen und Künstlern im Kammermusikbereich nach Grassau mitbringt.

Herr Baumgartner, was verbindet Sie mit der Sawallisch Stiftung?

„Als junger Dirigent hatte ich Gott sei Dank noch das Glück, Wolfgang Sawallisch bei zwei Probenserien für Konzerte in München über die Schulter schauen zu dürfen und mich mit ihm auszutauschen: Das waren unvergessliche Eindrücke! Er war eine solche Koryphäe. Von der Stiftung erfuhr ich als erstes durch Kent Nagano, der mit seinem damaligen Bayerischen Staatsorchester mehrere Konzerte in der Sawallisch-Stiftung gab. Einen neuen Blickwinkel eröffnete mir mein langjährigen Freund Ingolf Turban und schließlich Tomoko Sawallisch, die beide ganz begeistert vom vielfältigen Wirken der Musikakademie berichteten. Ich verband mit dem Namen „Sawallisch“ also nur die positivsten und wärmsten Empfindungen, als dann vor einigen Monaten Paul Bischof auf mich zukam….“

Was reizt Sie an der Tätigkeit?

„Zunächst muss man festhalten, dass das Sawallisch-Anwesen in mehrerlei Hinsicht ideale Bedingungen für die Förderung junger Musikerinnen und Musiker – einem Herzensanliegen von mir – bietet: Zum einen die Infrastruktur mit zwei Konzertsälen, einem Gästehaus für die ortsnahe Unterbringung der Kursteilnehmer und Dozenten sowie die Lage – verortet zwischen den Musikmetropolen München und Salzburg. Zum anderen haben wir durch die familiäre Atmosphäre, die einzigartige Natur und die Gemeinschaft, die durch das gemeinsame Arbeiten in der Villa und das Wohnen im Gästehaus entsteht, etwas ganz Besonderes, was weit über diese „hard facts“ hinausgeht. Die Vielfalt der Aufgaben, der vorhandenen Potenziale und das gemeinsame Wirken im Team machen die Tätigkeit für mich so spannend. Ich bin voller kreativer Vorfreude!“

Macht es angesichts der beschränkten räumlichen Möglichkeiten Sinn, in der Villa Sawallisch Konzerte zu veranstalten?

„Unbedingt. Kunst wird ja nicht per se deshalb groß, weil sie in großen Sälen aufgeführt wird. Viel wichtiger ist die Atmosphäre, die Intimität, die erst Raum für künstlerische Entwicklung schafft. Mit diesen Qualitäten sind wir durch die beiden Konzertsäle der Wolfgang-Sawallisch-Stiftung reichlich gesegnet. Darüber hinaus möchten wir auch die mannigfaltigen Möglichkeiten des Anwesens mit der wunderbaren Aussicht verstärkt nutzen, um z.B. Freiluftkonzerte zu veranstalten.“

Welche Ziele haben Sie für die Stiftung?

„Paul Bischof und der Stiftungsrat haben in den vergangenen Jahren hervorragende Arbeit beim Aufbau der Musikakademie geleistet. Diese gilt es zu bewahren, aber auch stetig und immer aufs Neue zu mehren. Verstärkt möchten wir die Entwicklung junger Musikerinnen und Musiker ganzheitlicher verstehen. Neben den technischen Fähigkeiten am Instrument planen wir, gemeinsam mit den Dozentinnen und Dozenten noch mehr die künstlerische Persönlichkeit der Studierenden, den Menschen, ins Zentrum rücken, z.B. durch die Arbeit mit Coaches, Yogastunden oder gemein same außercurriculare Aktivitäten.

Die jungen Musiker kommen aus aller Welt zu uns. Wir möchten das Internationale und das Regionale – also die beiden Elemente, die für Wolfgang Sawallisch als Stiftungsgründer prägend waren – auch hier in Einklang bringen. Bereits jetzt gibt es eine rege Zusammenarbeit mit der Marktgemeinde Grassau und der Region, insbesondere möchte ich natürlich die örtliche Musikschule hervorheben, mit der die Sawallisch-Stiftung aufs Engste verbunden ist. Wir möchten diese erhalten und weiter stärken. Wir freuen uns, wenn wir mit unserem vielfältigen und spannenden Programm der Meisterkurse und Konzerte zum Anziehungspunkt für Publikum von nah und fern werden – egal welchen Alters. Wir möchten die Tore der WSS weit öffnen!“

Bericht: Uta Grabmüller, Grassau

Fotos privat