Mozart als Musikgenie und Mensch

Stofferl Well mit Wolferls Briefen zu Gast bei der Sawallisch-Stiftung

Christoph Well interpretierte die legendären „Bäsle-Briefe“ von Wolfgang Amadeus Mozart im Heftersaal in Grassau. Dazu erklangen seine etwa zur gleichen Zeit entstandenen Flötenquartette von den hochklassigen Musikern des Bayerischen Staatsorchesters bei der Matinee der Wolfgang-Sawallisch-Stiftung.

Besser bekannt als Stofferl Well beschreibt der großartige Multiinstrumentalist sein Verhältnis zum Wolferl, seinem Vorbild und Idol. Gerade der Gegensatz von Genie und derben Lausbub fasziniert ihn besonders an der Person Mozarts.

„Mozart war für mich immer der liebe Gott der Musik. Nie wieder ist so vollkommene Musik geschrieben worden. Und die Briefe haben ihn gewissermaßen vermenschlicht. Wenn er über seine Leibeswinde spricht, spürt man: Das war ein Mensch mit viel Witz. Sein Humor ist mir nahe, und von der Mentalität war Mozart ohnehin eher Bayer als Österreicher.“

Wolfgang Amadeus Mozart war eben nicht nur ein musikalisches Genie, er war auch Zeit seines Lebens ein äußerst produktiver Briefeschreiber, u.a. an den Vater 1777:„Ich kann nicht Poetisch schreiben; ich bin kein dichter. …… ich bin kein mahler. Ich kann … durch Pantomime meine … gedancken nicht ausdrücken; ich bin kein tanzer, Ich kann es aber durch töne; ich bin ein musikus.“  Unter anderem unterhielt er einen regen Briefwechsel mit seiner Cousine, Maria Anna Thekla Mozart. Daraus sind neun Briefe von Mozart an die Cousine erhalten geblieben, von ihren allerdings keiner. Well vernutet, dass sie vielleicht der Zensur von Mozarts späterer  Frau Constanze zum Opfer gefallen sind. Die berühmten Bäsle-Briefe, in denen Mozart eine ausgelassene, eine teils sehr derbe und deftige Sprache verwendet, entstanden in der Zeit von 1777 bis 1791. Eine Zeit voller Probleme, die in den Briefen jedoch gar nicht auftauchen. Und so schreibt er gern mal wie ihm der Schnabel gewachsen ist, gibt sich dem bloßen Wortfluss hin, wächst über das Begriffliche weit hinaus, schreibt gern mal rückwärts, reimt drauf los und verwendet hemmungslos Fäkalwörter. „Es grüßt der alte junge Sauschwanz, Wolfgang Amadeus Rosenkranz“. Das ist nur ein Zitat aus den vielleicht schlüpfrigsten Briefen der Musikgeschichte.

Wahrscheinlich kann man diese Schreibweise nur aus der Sicht der damaligen Zeit verstehen, als die Sprache ohnehin viel vulgärer war, als wir es heute gewohnt sind. Well zu den Briefen: „Das sind keine Schweinereien, das war eher eine Art Geheimsprache, denn zu der Zeit wäre das Verhältnis zwischen den beiden strafbar gewesen; deswegen mussten sie einen Code entwickeln, den nur sie verstanden.“ Aber trotzdem waren diese Ausführungen für manch einen der Grassauer Besucher sehr gewöhnungsbedürftig und aus heutiger Sicht zum Teil sehr schlüpfrig.

Göttlich dagegen war Mozarts Musik und die ausführenden Musiker des Bäsle-Quartetts. Allesamt vom Bayerischen Staatsorchester spielten sie aus Mozarts bekannten Flötenquartetten.

Andrea Ikker an der Querflöte, David Schultheiss an der Violine und Erster Konzertmeister des Bayerischen Staatsorchesters, Adrian Mustea, an der Bratsche und Yves Savary auf dem Cello (schon vom vorjährigen Konzert mit Christoph Well bekannt).

Während Andrea Ikker auf der Querflöte virtuos die typische Mozart’sche Geläufigkeit, die hohen strahlenden Kantilenen und die dynamischen Schattierungen interpretierte, wie man es vom Komponisten in der klassischen Ausprägung gewohnt ist, hat das Cello manchmal zusätzlich noch die Geräusche der Leibeswinde aus den Briefen unterstrichen.

In dieser Zusammensetzung spielen sie die Flötenquartette allerdings nur, wenn alle beinander sind. Deshalb auch der Name Bäsle Quartett. Übrigens entstammt  das erste Flötenquartett D-dur (KV 285) dem Mannheimer Aufenthalt Mozarts im Jahr 1777. Dort hatte er sich bekanntlich unsterblich in Aloysia Weber verliebt, in die ältere Schwester von Constanze, die im Jahre 1782 seine Frau wurde und der er später zahlreiche Liebesbriefe geschrieben hat.

Mozart das göttliche Musikgenie und der menschliche Briefeschreiber.

Bericht von Marion Tippmann-Böge, 27.09.2022