Konzertkritik „Gropius Quartett“

„Die Krönung der Kammermusik – das Streichquartett“

Das Gropius-Quartett aus Weimar brillierte im Hefter-Saal in Grassau

Ein hervorragendes Benefizkonzert für alle treuen Unterstützer der Sawallisch-Stiftung fand mit rund 100 Besuchern Corona-bedingt im Heftersaal in Grassau statt. Obwohl auch zahlreiche Musikfreunde von weither bis aus München angereist waren, war das Konzert vor allem für die Abonnenten bestimmt, die die bereits bezahlten Eintritte für die nicht stattgefundenen Konzerte während der Corona-Krise der Stiftung gespendet hatten. Das hoch renommierte Gropius-Quartett aus Weimar hatte sich zudem bereit erklärt, ohne Gage zu spielen, so dass auch der Erlös der verkauften Karten der Sawallisch Stiftung zu Gute kommt.

Ein großartiges Konzert mit anspruchsvollem Programm begann mit Ludwig van Beethovens Streichquartett f-Moll opus 95 mit Untertitel „Quartetto serioso“, gewidmet seinem besten Freund, dem Hofsekretär Domanovec, 1814 erstmals aufgeführt. Der große Ernst aller vier Sätze hat viele Nuancen von Düsternis, Pessimismus, abgrundtiefe Traurigkeit bis zur Verzweiflung und mag Beethovens psychische Verfassung zu der Zeit spiegeln, als er mal wieder – in vergeblicher Liebe zu einer Frau entbrannt – zurückgewiesen wurde. Diese schwere Komposition von besonderer konstruktiver Dichte und satztechnischer Meisterschaft, ein Vorläufer Beethovens späterer Quartette, spielten die Weimarer Streicher souverän mit virtuoser Technik und perfekt aufeinander eingestimmt. Dem Vorbild ihres Namensgebers Walter Gropius entsprechend, dem Begründer des Bauhaus-Stils, setzt sich das Quartett zum Ziel, die klare Struktur der Komposition herauszuarbeiten und mit leidenschaftlichem Spiel erlebbar zu machen. Friedemann Eichhorn an der ersten Violine, der zu Beginn auch die Stücke erklärte, lehrt als Professor an der Hochschule für Musik Franz Liszt in Weimar und gab als Solist und Kammermusiker  über 30 CDs heraus. Auch seine Frau, Alexia Eichhorn, Viola, lehrt an der gleichen Hochschule in Weimar, nachdem sie vorher unter anderem Konzertmeisterin der Stuttgarter Philharmoniker war. Ein Ehepaar sind auch Indira Koch, zweite Violine, Konzertmeisterin der Deutschen Oper Berlin und der Kammerphilharmonie Metamorphosen in Berlin. Am Violoncello spielte Wolfgang Emanuel Schmidt, ebenfalls Professor an der Hochschule für Musik in Weimar und Künstlerischer Leiter der Metamorphosen Berlin – eine zweifellos brillante Besetzung.

Nach Beethoven stand das Quartett Nummer 12 „Divorce“ (Scheidung) von dem zeitgenössischen, 1970 in Ankara geborenen Fazil Say auf dem Programm. Hier wird in musikalischer Sprache Streit, Zerrissenheit, im zweiten Satz auch Melancholie und Suche nach einem neuen Weg thematisiert, im dritten Satz aber nehmen Wut und Streitereien, ausgedrückt in fast physisch schmerzhaften Dissonanzen wieder so überhand, dass es hörbar kein Zusammenkommen mehr geben kann.

Geradezu erlösend nach den beiden nicht eben leicht verdaulichen Stücken erschien danach Antonin Dvoraks Quartett Nummer 12, F-Dur, „Amerikanisches“. Der Komponist schrieb es 1893 in seinem amerikanischen Ferienort Spiville, einer tschechischen Siedlung in Iowa. Von allen Kammermusikwerken des 1841 geborenen tschechischen Komponisten ist es das kürzeste und eingängigste. Erfrischend leicht glaubt der Zuhörer dem harmonisch Dahinplätschern eines Flusses mitten in grüner Naturlandschaft zu lauschen. Frische und Einprägsamkeit der Themen machten es zu einem der beliebtesten Stücke des Komponisten. Dem langen begeisterten Applaus folgte eine Zugabe mit musikalisch glitzernder Musik zu Jackson Pollocks Action Painting „Diamant Werbung“.

Christiane Giesen

 

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Das berühmte Gropius Quartett aus Weimar mit (von links) Alexia Eichhorn, Bratsche, Friedemann Eichhorn und Indira Koch, Violinen sowie Wolfgang Emanauel Schmidt, Violoncello, im Heftersaal in Grassau.

Foto: Giesen